Wenn im folgenden hier von den Erlebnissen eines Live-Konzertes die Rede ist, dann berührt diese Umschreibung den Kern nur an seiner Peripherie. Nils Petter Molvaers Auftritte treffen in ihren Klängen und Visionen jeden Sehnerv, fordern eigentlich von jedem Besucher eine aktive Ganzkörperantenne und klingen immens lange nach.
Trotzdem stellt sich die Frage nicht, ob dieses Konzept auf einer Audio-CD alleine überhaupt bestehen kann, denn die Antwort kennt man bereits seit dem sensationellen Debüt „Khmer“ (1997). Das Album, in der Fachpresse euphorisch als „historisch“ tituliert und in 100.000-facher Ausführung in Europa goutiert, öffnete dem gemeinen Jazzpuristen endgültig den Blick nach Skandinavien, genauer Norwegen. Dem Land also, welches ohne Frage als Heimat brüchiger, fragiler, dunkler, ruhiger Klänge gelten darf. Grenzbereiche der Trompete, gepaart mit einem hochsensiblen Fingerspitzengefühl für elektronische Atmosphären aus Samples und Breakbeats, ging Molvaer in der Folge einen Weg auf fast vereisten, scharfkantigen Wegen, und forderte dem Hörer alle Konzentration ab. Als wäre all das nicht schon genug des unabdingbar Guten, holte Molvaer sich Band-Mitglied, Produzent und Ambient Mastermind DJ Strangefruit als kongenialen Partner zur Abmischung des heute erscheinenden Live-Albums „Streamer“ an seine Seite. Aufgenommen in Londons Marquee sowie auf dem finnischen Tampere Jazz Festival, besteht es vornehmlich aus Tracks der letzten beiden Alben „NP3“ und „Solid Ether“ und wird von den beiden Köpfen selbst als „logische Konsequenz“ der Studiowerke beschrieben. Sogartig zieht es den Hörer in den eigenwilligsten Farbenspielen hinein, fühlt sich insgesamt wärmer an als die Vorgänger und riecht in fast jeder der knapp sechzig Minuten nach dunklem Club. Wer trotz aller seeleneigenen Fantasie auf das (O-Ton) „visuelle Musik-Erlebnis für die Sinne“ nicht verzichten mag, kann Nils Petter Molvaer noch einige Male in diesem Jahr live erleben und sich der kontrollierten Reizflutung stellen. Eine Gefahr der unangemessenen Überdosierung besteht im Hause Molvaer/Strangefruit höchst erfreulicherweise dagegen mal gar nicht. Ende September und Anfang Oktober beglückt Nils Petter Molvaer seine deutschen Fans mit wenigen Konzerten.