Als Sivert Hoyem im vergangenen Jahr auf Solopfaden wanderte und eine vollkommen zu unrecht missachtete Scheibe produzierte, schien für viele das Ende des „blauen Himmels zum Sonnenaufgang“ gekommen. Madrugada wurden der Musikgeschichte zugeschrieben und ein fallendes Blatt mehr im Herbst gezählt. Dass eben jenes Werk von einer gewissen, nicht zu überhörenden Zerrissenheit geprägt war, von getrunkenem Bier und ziemlich angefixten Befindlichkeiten, ließ in seiner Schönheit irgendwie nicht wirklich Gutes ahnen. Doch statt eines dicken Endes kam ein Tiefes. „The Deep End“ lässt zwar nach wie vor alle Spekulationen zu, welche das norwegische Trio betreffen, macht aber gleichzeitig unmissverständlich klar, dass es nach außen hin gar keinen nachvollziehbaren Grund gibt, an der Idee Madrugada zu zweifeln. Programmatisch steigt es sich gleich zu Beginn in den Viertürer: „The kids are on High Street / The kids will not sleep tonight“. Genauso verhält es sich in der folgenden satten Stunde fast ausnahmslos. Immer kurz vor knapp noch die Kurve bekommen, nie wirklich überladen. Im Rausch der Stile, die Erzählweise angelehnt an Brüder im Geiste wie Nick Cave, wechselnde Tempi, Flamenco und Gospel im melancholischen Rock-Bassin. Ist denen denn gar nichts mehr heilig? Geht das gut? So viele Impressionen finden Platz am Rande der Wege, dass einem das Hören des Albums manchmal vorkommen kann wie ein Marathon. Der hat, wie man sich erzählt, seine Längen, wird streckenweise zur Qual und geht am Ende doch in Schönheit auf. Passt schon mal! Ach ja und Bilder, die können sie ja vorzüglich malen. „Es geht um das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, dieses sinkende Gefühl, das tiefe Ende des Swimmingpools“, lässt Hoyem vernehmen und erzählt umgehend substanzielle Dinge wie „eine weitere coole Story über eine schlechte Party in Oslo“ („Subterranean Sunlight“). Dann drehen sie fast am Rad wie die fabulösen Manu Chao („Hard to come back“), dass einem fast das Rotweinglas in der Hand zerbirst. Rotwein ist ja auch die Füllung eines verbreiteten Klischees über diese Band. Unglücklich verliebte Mädchen trinken den gerne zu Madruganischen Klängen und gröhlen in „Ramona“ das gebetsmühlenartig scharf kreisende „There is no tomorrow“ mit, als hätte es Joy Division nie gegeben. Und wenn es Madrugada eines Tages doch mal aus der Kurve trägt, werden sie sich alle irgendwie sehr verklärt an all die Kopfschmerzen erinnern, die diese Band mehr oder weniger zu verantworten hatte. Live im Mai auch in der Nähe deines Weinkellers!