Auf Reisen sein: die Fellow Travellers waren Anfang der 90er eine der großartigsten Folk-Bands, die bis dato das Licht der Welt erblickt hatten. Sie machten sich auf, neue Wege zu gehen. Das Besondere an ihnen war, dass sie ihre akustischen Songs mit einer stets wohltemperierten Prise Reggae und Dub unterlegten. Das gab dem Ganzen bei aller Melancholie eine lässige Leichtigkeit. Jeb Joy Nichols erzählt heute, dass sie damals nie probten, sie einfach gespielt haben, was sie fühlten. „Es ging wie von selbst, wie zufällig… Das war wahrscheinlich die ungezwungenste Musik, die ich je gemacht habe.“
Was nicht heißt, dass sein neues Album verkrampfter klingen würde. Im Gegenteil, auch „Now Then“ hat einen leichtfüßigen Unterton. Dass er diesmal die Abzweigung in Richtung Soul genommen hat, überrascht beim ersten Hören, aber ist bei genauer Betrachtung seiner Historie gar nicht abwegig. Denn die Welt in ihren verschiedensten musikalischen Facetten abzuwandern, scheint Nichols' Lebenselexier zu sein. Jede Straße führt immer auf eine andere, und alle Wege kreuzen sich. Im Radio im heimatlichen Missouri lief tagsüber Country, abends Soul, die Mutter hörte Jazz, der Vater Bluegrass. Als er mit 14 nach Texas kam, hat er gelernt, wie toll Livemusik ist, und hat viele der Großen gesehen. Mit 17 zog ihn der Punk nach New York, wo ihn Hip Hop und Rap überrannten. In London gründete er eine Countryband, dann kam das Angebot von Okra Records, die Fellow Travellers, inzwischen lebt er in Wales…
Ähnlich patchworkartig erscheint sein neues Werk. Um schließlich wieder in Nashville zu landen, wo das Album von Mark Nevers (Lambchop) produziert wurde, mussten auch die Bänder reisen, um noch den einen oder anderen Beitrag eines Musikers zu den Aufnahmen persönlich abzuholen. Die Liste der Mitstreiter ist dermaßen lang, dass man fast befürchten könnte, dass das Album ein musikalischer Flickenteppich ist. Aber nein, es ist ein wunderbar warmes und homogenes Werk entstanden. „Now Then“ klingt nach Austausch, nach einem Gespräch verschiedener Kulturen, verschiedener Zeiten und nach einer pulsierenden Welt, die vielleicht doch noch ihren Weg finden wird.
Das ist beruhigend und friedlich. Da hat einer seine Mitte gefunden und schaut sich auf seinen Wegen trotzdem nach allen Seiten um. Eine Platte zum entspannt Älterwerden. Wohlgemerkt: älter nicht alt, denn es geht immer weiter. „What I want to know Jeb, is, ever feel like leaving?“ Die Antwort verwundert nicht: „So yes, Rob, I often feel like leaving. And I often leave. I'm just not sure I'm getting anywhere.“ Mit ziemlicher Sicherheit wird Jeb Loy Nichols in den nächsten Tagen in Regensburg, Nürnberg, Mainz, Basel und Luzern ankommen. Da steht er nämlich zusammen mit den Go-Betweens auf der Bühne. Glücklicher Süden.