Es war wohl am Ende des Jahres 1996, als der Protagonist unserer folgenden kurzen Geschichte Mark Eitzel das erste Mal begegnete. Nicht persönlich, nein. Irgendwo zwischen den vor sich hin faulenden Eagles und Eurythmics stand sie da im kleinstädtischen Plattengeschäft. Unberührt. „60 Watt Silver Lining“ – Eitzels erstes Album außerhalb des American Music Clubs. Schon am Cover erkannte er, dass sich etwas Besonderes dahinter verbergen könnte. Unscharfes Bild eines etwas schräg im Wasser liegenden Schiffkutters. Wie etwas schief ins Leben gebaut, aber mit eigener Kraft zur Fortbewegung ausgestattet. Hier in der Vorstadt voller kleiner Helden (wie Wolf Maahn sie einmal besang) war er der stille Anti-Held ohne missionarischen Drang. Platten wie diese waren sein Soundtrack. Warum das so war, konnten ihm weder der „Rolling Stone“ noch der „Musikexpress“ verraten. Seine Freunde schon gar nicht. Interpretiert wurde in der Schule genug, nicht auch noch zu Hause. Fast 10 Jahre später schreit es „Good Luck“ in großen Lettern von Eitzels neuem Album „Candy Ass“. Darunter zu sehen ist eine dieser Glasvitrinen voller Kuscheltiere und anderer billiger Preise. Man wirft Geld hinein und muss diesen Greifarm steuern. Selten genug, dass unter dem Gelächter der Umstehenden solches gelingt. „His name is St Michael and he's a bit of a class clown / he laughs with people who always laugh him down“, nimmt Eitzel ihn ins Visier. Manchmal stehen diese Kästen im Schatten der lauten bunten Autoscooter, wo die Fuchsschwänze regieren. So hat Eitzel den Helden seiner Geschichten wieder feinsinnig in das pralle Leben positioniert. In der Übersetzung irgendwo zwischen „Du bist Deutschland“ und Judith Holofernes. Indes tut er sich schwer, den Eitzel von damals als seinen wiederzuerkennen. Was vom Lieder schreiben übrig blieb, ist noch immer Songwriting der hohen Schule. Doch dazwischen türmt er Schichten um Schichten elektronischer Klänge. Sounds, Loops und Kurzschlüsse, als würden die Lichter in der Vitrine leise flackern und der Greifarm versagen. In manchen Momenten klingt das resigniert und leidlich inspiriert. Doch wenn sich mitten in „Green Eye“ ein Karussell fiebrig dreht, ist Eitzel in seiner Komposition ganz nah dran an den Menschen. An jenen, die das Kunststück vollbringen, im Schatten doch der ganz eigenen Sonne zu stehen. „Candy Ass“ meint vorsichtig übersetzt so viel wie Weichei oder Feigling. Geringschätzung als Dreh- und Angelpunkt. Mutig vertont von einem der selbst sagt, wie sehr er das Gerede hinter seinem Rücken fürchtet. Morgen komt er zu einem einzigen Gig in die Hamburger Meanie Bar.