Tracy Chapman: Where You Live - Ernst mit sich und der Welt

Tracy Chapman: Where You Live (Elektra / Warner)

Man kann da schon mal ins Schmunzeln geraten, wenn im Gästebuch ihrer offiziellen (deutschen) Heimatseite vom erneut verpassten Durchbruch die Rede ist. Wenn eine Musikerin auf diesem Planeten in den letzten zwei Jahrzehnten jemals so etwas wie den ebenso kometenhaften wie zufälligen Aufstieg geschafft hat, dann war das eben diese Tracy Chapman. Nun ist seit „Talkin' bout a (Wembley) Revolution“ sicher eine mächtige Weile ins Land gegangen. Nicht alles danach konnte sich mit dem Geniestreich messen, der ohne den richtigen Ort zur richtigen Zeit wohl gerade mal als „Just Another Songwriter“-Album in die Geschichte eingegangen wäre. Legt man beide Cover-Artworks von 1988 und heute einmal nebeneinander, ist da immer noch derselbe nachdenklich gesenkte Blick. Wirkt und klingt naturgemäß selbstsicherer heute. So sicher, dass selbst das Zittern ihrer Stimme beinahe schon ein festes Gütesiegel bedeutet. Auf das leicht devote „Baby, can I hold you“ antwortet nun der unangestrengt emanzipierte Satz „I let you hold me“ in „Never Yours“. Musiker, die 1988 noch unerreichbar schienen, unterstützen sie heute. Flea am Bass auf drei der Tracks zum Beispiel. Sparsam instrumentiert und doch vielschichtig beschreibt Chapman noch immer die Welt. Wenn es um Revolution geht, ist es jedoch mehrheitlich der Marsch in das Innere („If you knew that you would die today… Would you change?“). Der globale Lieblingsfeind „America“ schleicht sich sanft rhythmisch in das Gehör und verweilt länger als nur einen Augenblick. Geschickt harmlose Verpackung für ein tief verwurzeltes Anliegen. Erinnert an Bruce Cockburn mit einer Schippe Waits. Tracy Chapman meint es im besten Sinne ernst mit sich und dieser Welt. Doch scheint sie lange schon nicht mehr die, der man unterstellen mag, den Keller zum Lachen aufzusuchen. Live im November. Bitte mit Rauchverbot rechnen.