Da sind sie wieder, die Pretty Girls Make Graves. Die Band mit der ungeheuren Energie, den rauen Melodien, dem weiblich/männlichen Mischgesang und der unverkennbaren Neigung zu lauten Gitarren und vertrackten Pfaden. Es ist schön, wieder von ihnen zu hören. Drei Jahre hat ein neues Album auf sich warten lassen. Eine Zeitspanne, die mit vielen Liveauftritten verbracht wurde und eine merkliche Änderung vermuten lässt. Rein äußerlich hat sich tatsächlich einiges getan, nämlich in der Bandbesetzung: Gitarrist Nathan verließ die Gemeinschaft, neu hinzu gesellte sich Keyboarderin Leona Marrs. Eine Verschiebung von Akzenten? Vielleicht. Ganz unabhängig von der seit jeher hörbaren Integration von Elektronik tauchen nun vermehrt Keyboard- und Pianotöne, Orgelakkorde und elektronische Akzente auf. Die bereits bei ihrem letzten – großflächig zumindest medial sehr beachteten – Album „The New Romance“ spürbare Entwicklung zu einem „poppigerem“ Gesamtbild und gezielterem Einsatz von brachialer Gitarrenkraft findet auf „Élan Vital“ eine sicherlich konsequente Fortführung. Der Gesang von Andrea Zollo klingt ausgefeilter, noch besser und wird dementsprechend in Szene gesetzt. Dass dies dank Schifferklaviermodulen, Streichern und Chorgesang teilweise in fast „folkige“ Richtungen abdriftet, stößt im ersten Moment etwas seltsam auf, aber lässt dann Songs wie „The Magic Hour“, die an frühere Stücke erinnern, sympathisch vertraut und nahe erscheinen. Pretty Girls Make Graves sind älter geworden, hörbar, der eine oder andere Hörer eventuell auch. Der Pfad, den die Band eingeschlagen hat, macht daher Sinn. In Momenten gestaltet sich dies ruhiger, nachdenklicher, auf Inhalte bezogen und weniger berstend gewaltig. Keine Angst, die Vitalität des vielseitigen Quintetts findet nach wie vor seine Entfaltungsmöglichkeiten, nur hat sich die Struktur gewandelt und bindet mehr Zurückhaltung und gezielte Akzente ein. Dabei kommt es zu ganz positiven Überraschungen: so zum Beispiel „Pictures of A Night Scene“, einem vom Schlagzeug dominierten Beatstück, das ausnahmsweise mit männlichem Gesang auftrumpft und vor einem reduziert geschnürten Instrumentalpaket (nicht nur textlich) eine sehr emotionale Seite vorführt.
Stichwort Gefühle. Auch daran hat sich im Laufe der Veröffentlichungen und Ideen der Pretty Girls Make Graves bezogen auf die Intensität wenig geändert. Nur die Gefühle selbst, die haben sich verschoben. Auf der assoziativen Ebene macht sich das mit einem Weichen der Aggressivität und Aufgewühltheit von früher zugunsten klarerer Aussagen und neuer Gedanken bemerkbar. Trotzdem (vielleicht sogar gerade deshalb) klingt auch dies gewaltig und bereitet große Hörfreude. Live zu erleben auf leider nur einem Konzert morgen in Dortmund!