„Ich schmeiß keine Steine mehr, schmeiß jetzt Discokugeln!“ dürfte als meistzitierte Phrase in die Kommentare zu „Mercedes-Dance“ eingehen. Klar! Doch wer denkt, darüber definiere sich ein vollkommen nonpolitischer Jan Delay, dessen soziale Kompetenz ähnlich oberflächlich bleibt wie ein verblasster Einlassstempel, der irrt gewaltig im Kunstnebel umher. Jott Pee Eißfeldt schert sich seinen Dreck darum, auch nur eine einzige Handbreit von der selbst angeeigneten Coolness abzurücken. Worum es geht, liegt auf dem Weg vom eigenen Zuhause in den Tanztempel und zurück. Phlegmatischer Deutschtümelei erteilt er in „Kartoffeln“ eine ebenso deutliche Absage wie der Selbstaufgabe persönlicher Lebensideen („Feuer“). „Plastik“ funktioniert in Delays Welt höchstens noch als Vinyl, und „Raveheart“ zielt wie so viele Stücke auf dem Album in die Randbezirke eines speziell ausgewählten Ortes. Delay polarisiert zwischen cooler allwissender Sau und ein ganz klein wenig Frauenversteher. Blitzsauber beobachtet, was hinter dreckiger Fassade gespielt wird. Leitfaden ist der eigene Antrieb zur Abweichung von eingefahrenen Wegen. Darum „Mercedes-Dance“! Könnte man zumindest spekulieren. Vielleicht klingt das aber auch nur so ähnlich catchy funky wie das komplette Album. Wobei die Single „Klar“ der melodiöse Ausreißer ins formidabel Gewöhnliche bleibt. Musikalisch will der „Mercedes-Dance“ durch die Gesellschaft geduldig erlernt sein. Schon ein paar Schritte entfernt von der Partyphilosophie seiner Beginner. Dafür ganz nah dran an manch explosiver Zündschnur („Kirchturmkandidaten“). Kein anderer als Udo Lindenberg schaute dem gemeinen Volk 1982 („Odyssee“) ähnlich plakativ und unverblümt aufs Maul. Kein Zufall, dass eben dieser zum endlichen Duett gebeten wird („Im Arsch“). Da ist Delay ein letztes Mal doch mehr Stein im Weg, als Discokugel. Ein Glück! Und hoffentlich auch live auf der diese Woche startenden Tour „halb B-Boy, halb Boheme“!