Wer „Feist“ sagt, meint die ungeschminkte Wahrheit? Könnte man sich musikalisch drauf einigen. So gesehen ist „The Reminder“ offenbares und pures Vergnügen. Eines, dessen Vielfalt sich nicht eben zwischen Gurkenmaske, Softdrink und Peeling beschreiben ließe. Eben genau wie diese Leslie Feist subkulturell zwischen Garage, Broken-Social-Scenedependent und Altmeister Chilly Gonzales' hintergründigem Feinsinn pendelt, laviert auch ihr drittes Album durch allerlei assoziativen Wahnsinn. „The Reminder“ ist ein einziger fetter, aufgehäufter Brocken zeitloser Gefühle, deren Zitate bis weit zurück in die Siebziger Jahre reichen. Kokettes Abzählen hier im Kinderreim. Honkytonk, ein Banjo, Trompeten, massive Klaviaturen und Lala dann dort. Dann Fingerschnipps oder Lagerfeuer auf digitalem Billig-Tape. Beinahe wie es eine Michelle Shocked dereinst in ihren legendären „Texas Campfire“-Sessions in niedrigst budgetierter Perfektion zelebrierte. Doch schon im nächsten Moment schlüpft Phantom Feist in die fransigen Kleider einer Joan Baez, die sich samt überaus seltsam entfernt scheinendem Publikum ein allerletztes Mal in den Frage/Antwort-Würgegriff nimmt. Oder bedient sich schlurfender Elektro-Kinderschuhe, wie sie 1979 der noch beinahe junge Mike Oldfield zu vollkommen unterschätzten „Platinum“-Zeiten trug. Feists Attitüde ist die einer grazilen jungen, sanft polternden, eben (zumindest nach ihrer Interpretation) ungeschminkten Rebelleuse in einem Wunderland aus Alltagsminiaturen. Schlagfertiger Klingklang zu unschuldiger Stimme. Kompromisse Fehlanzeige. Bis in den letzten Winkel voll gepacktes Werk aus Neuzeit und vergangener Moderne. Ausgetüftelt und voll banaler Schönheit. Vorerst leider nur ein einziger (zurecht und restlos ausverkaufter) Deutschland-Auftritt in der Hauptstadt.