„The Stage Names“ führte nicht vor, sondern durch die Augen. Aus den subjektivsten Blickwinkeln überhaupt. Erschöpfte Musiker, ein Vater, der im Tagebuch der Tochter stöbert, und am Ende gar suizidale letzte Sekundenbruchteile im Fluge auf die Wasseroberfläche. Will Sheff, ein Meister des Brücken- und Bühnenbaus. Das brachte ihm auch mal Kommentare ein wie „TheaterSheff“. Und selbst heute glaubt noch mancher Zugereiste, jenes Album als Okkervil Rivers Debüt zu wissen. Weit gefehlt! Als sich im September der Vorhang zu Album Nummer Sechs „The Stand Ins“ öffnete, war aber auch schnell klar, dass jener noch eng mit der Voraufführung verknüpft sein musste. Als habe man aus dieser gottverdammten Hand vom vorigen Cover nicht schon genug Abgründiges zu lesen bekommen, schunkelt es nach kurzem dramatischem Epilog direkt auf die „Lost Coastlines“ zu. Im herzzerreißenden Duett mit Jonathan Meiburg, der im Frühling die Band verließ. Fortan erfreuen wir uns am Geißeln intellektueller Überflieger im Songwriterformat, erleben angedeutete, zurückgelehnte Retro-Trips („Starry Stairs“, „Blue Tulip“), einmal mehr die große Lüge, Kurzmitteilungen aus der Nacht oder wandeln „On Tour With Zykos“ leise auf den Spuren Jackson Brownes aus dessen „Running On Empty“-Ära. Ein brüchiger kleiner Geniestreich zwischen Leben und einsamem Tod erinnert zum Abschluss an den tragischen Gay-Glam-Rockstar Bruce Wayne Campbell (gebrandet als „Jobriath“). Die Melodien auf „The Stand Ins“ mögen alles in allem etwas holpriger erscheinen als zuvor. Aber so ist das vielleicht wenn man sich Menschen noch so viel dichter annähert. Hinhören auf der Tour ab Mitte November!