Dramatisch geschminkte Augen, verboten rote Lippen und ein Blick, der sagt: „Ich fress dich!“ Wer Anna Calvi einmal in Aktion gesehen hat, wie sie energisch ihre Gitarre packt, ihre volle Stimme erhebt und um ihr Leben röhrt, dem wird es schwer fallen, sie mit der hübschen, aber vergleichsweise eher unscheinbaren, schüchtern wirkenden jungen Frau Anfang 30 in Verbindung zu bringen, die mit leiser, glockenheller Stimme Interviews gibt. „Wenn ich live spiele, bin ich ein anderer Mensch“, so ihre offizielle Version. „Ich fühle mich stark und furchtlos. So, wie ich im täglichen Leben gern wäre.“ Dabei gäbe es für sie Anlass genug, die selbstbewussteste Frau der Welt zu sein: Brian Eno nannte sie einst „the biggest thing since Patti Smith“, und auch Karl Lagerfeld und Nick Cave zählen zu Calvis größten Fans. Aber Protzen ist nun mal nicht Annas Ding. Auf der Bühne mag sie eine Diva sein, hinter der Bühne ist sie ein Engel.