Er hat schon wieder zugeschlagen. Na, er. Der Mann, der schneller Platten macht, als Lucky Lukes Schatten schießen kann. Obwohl man meinen sollte, dass Menschen, die all diese Tonträger einfach nur rezipieren und rezensieren müssen, hier einen fetten Hase&Igel-technischen Vorteil haben, haut das bei Joe B. einfach nicht so hin: Immer, wenn man meint, das aktuellste Werk gewürdigt zu haben, gibt es schon wieder ein neues. Aktuell also „An Acoustic Evening At The Vienna Opera House“.
Was auch beinahe schon nervt: Bei einem derartigen Output würde man ja gerne gewohnt pointiert abmetzeln dürfen: „Masse statt Klasse“. Haut aber bislang auch nicht hin. Denn dieser als Doppel-CD, -DVD und BluRay verfügbare Mitschnitt eines Konzertes in der Wiener Oper im Rahmen des dortigen Jazzfests überzeugt dann letztlich doch wieder. Hatte man erst möglicherweise gedacht „Och, muss nun auch noch die Unplugged-Karte gezogen werden?“, stellt sich das von Produzent Kevin Shirley ersonnene Konzept post festum doch als fantastisch dar: Nicht etwa Joe B. allein mit 200 Gitarren. Oder mit 100 Symphonikern. Nein, ihm wurde für diesen One-Off-Abend eine spezielle Band an die Seite gestellt: Gerry O’Connor (bjo, mandolin, fiddle), Mats Wester (Nyckelharpa, Mandola), Arlan Schierbaum (Harmonium, Akkordeon, Piano und Glockenspiel) sowie Lenny Castro (perc).
Als Quintett gelingt diesen Mannen das Kunststück, die vorliegende Auswahl aus dem inzwischen deutlich unübersichtlich gewordenen Bonamassa-Kanon zwingend interessant und neu zu interpretieren. Die Ensembleleistung macht aus teils hundertfach Gehörtem hier wieder etwas völlig Neues, Unerwartetes. „Arrival“ ist sogar tatsächlich neu – und führt uns nach Wien. Später klingt „Dust Bowl“ aufgrund der Streicher, der brillanten Percussions und der Mandoline auf einmal nach Led Zeps „Kashmir“. Und vieles, was folgt, erinnert plötzlich an den Powerfolk von deren legendärem vierten Album – ganz besonders „Slow Train“. „From The Valley“ bringt eine mit irre viel Hall zum Strahlen gebrachte Resonator-Gitarre an den Start, „Jockey Full Of Bourbon“ ein Honky-Tonk-Piano, wie es die Oper vermutlich noch nicht zu hören bekam. „Black Lung Heartache“ ruft in diesem Arrangement schließlich positive Assoziationen an Jeff Martin (Tea Party) mit Tabla Ensemble hervor.
Highlights: das auch jede BCC-Konzert überstrahlende „…John Henry“. Das Titelstück der aktuellen JB-CD „Driving Towards The Daylight“. Die irren Läufe auf Konzertgitarre bei „Woke Up Dreaming“. Das mit Glockenspiel-Begleitung noch besser sein melodisches Gift verbreitende „Sloe Gin“. Und die Verbeugung vor Vorbild Paul Rodgers, Bad Company’s „Seagull“ als Zugabe.
Übrigens geht das dieses Jahr absehbar so weiter mit Joes Mitteilungsdrang: Das Release mit der Neo-Funk-/Jazz-Combo Rock Candy Funk Party „We Want Groove“ ist bereits erschienen; ein zweites gemeinsames Album sowie eine anschließende Tour mit Beth Hart ist ebenso schon on schedule wie eine „Retrospektive seiner Karriere, die symbolisch in vier Londoner Clubs aufgenommen und gefilmt werden wird“. Danach ist ein weiteres Bluesrock-Soloalbum des Meisters geplant und „eventuell“ ein viertes Werk mit Black Country Communion. Vorher aber noch stehen die aktuellen Deutschland-Konzerte an. Be There.