Tocotronic gehen euch auf die Nerven? Mir auch. Und das ist verdammt richtig so. Ich habe keinen wirklichen Zugang mehr zur Lyrik und goutiere sie doch wie kaum eine andere. Ich habe keinen wirklichen Zugang zu irgendeinem Plattenregal und wühle mich doch durch die Archive. Die drei krummen Dinger auf dem ekelerregend grünen Hintergrund nehmen folgende Kollegen in Sippenhaft: Blumfeld, Kante & Tomte sowie Kettcar und Superpunk. Punkt. Will bedeuten: Verlass ist darauf, dass auf nichts mehr Verlass ist. Nebenbei sorge ich für meinen Ruin und den der Musikindustrie. Und verlaufe mich zwischen Freiburg und dem Pfad der Dämmerung. Nervt. Doch dann sind da diese entrückten Konzerte, Festivalauftritte und Ansagen. Wie zuletzt im Hamburger Mojo Club tief unter der zubetonierten Erde der Reeperbahn. Dort wo man durch ähnliche Pforten Zutritt erlangt wie die FC Bayern-Spieler durch den Münchener Spielertunnel in die heilige Kabine. Oder neulich nach dem Unwetter über dem Appletree Garden Festival in Niedersachsens sehr tiefer Provinz. Die Nacht als „von L.“ und Konsorten noch ein wenig ferner schienen und gleichzeitig Lieblingslieder abschossen, als kämen sie aus einer höchst selbst konstruierten Konfettikanone niedergeregnet. Tocotronic zelebrieren diese andere Welt mit einer völlig widersprüchlich anmutenden Nähe, die Kreise zu schließen imstande ist, die sich über rote Alben vermutlich listig lustig macht und bleibt. Tocotronic gehen mir auf die Nerven. Euch jetzt auch? Probiert es mal aus. Ihr werdet es sehr mögen. Tour im Herbst.