Dire Straits-Konzerte und hohe Latten waren seit jeher eine Geschichte für sich. Zunächst mal ging gar nichts bei den Mädchen, wenn du 1982 nicht im Besitz des „Love Over Gold“-Albums warst. Das epische „Telegraph Road“, ausgestattet mit der Länge einer vollständigen großen Pause in der Schule, das magische Coverartwork voller Elektrizität (erklären Sie das mal einem Spätpubertierenden übrigens), die düsterkalten „Private Investigations“. Bis heute liegt das Werk voller irritierender Schönheit schwer auf jeder Seele, mindestens fünf Finger tief in gesellschaftlichen Wunden bei „Industrial Disease“. Was man dem Stück nicht notwendigerweise unmittelbar anhört. Das wiederkehrende Motiv der Industrialisierung ereilte bald danach auch die Band selbst, als das große Band-Ego Mark Knopfler sich auf einen Pakt mit dem Teufel in Gestalt des Philips-Konzerns einließ und „Brothers in Arms“ trotz allem nicht ganz unverdient zum Millionen-Seller wurde.
Kurz zuvor ließen es sich die Briten nicht nehmen und markierten mit „Alchemy“ auch im Genre „Live-Album“ neue Höchstleistungen. Und heute? Und John Illsley? Sieht man von Stücken wie „Brothers In Arms“ oder „Money For Nothing“ mal freundlich ab, widmet sich der Bassist heute eben genau der Ära, bevor die kommerzielle Perfektion wie ein Damoklesschwert über der Band zu schwingen begann. Kann das gutgehen? Erstaunlicherweise ja. Dabei versucht Illsley gar nicht erst zu kaschieren, dass er nicht nur ein geiler Instrumentalist ist, sondern eigentlich auch ganz gerne stimmlich wie Knopflers Mark klingen mag. Gut, die Version von Leonard Cohens „First We Take Manhattan“ auf dem charmanten „Live In London“ geht als Gelegenheit zum Getränkekauf durch. „Another Brick In The Wall“ ist wohl durch die Blume den Wagemutigen dieser Welt gewidmet. Fast alle hauseigenen Selbstreferenzen aber funktionieren bestens bis hinein ins Gitarrengegniedel, manchmal fast auf ganz rührende Art sogar. Ein paar eigene Stücke Illsleys verdichten die Setlist auf der Tour im Frühjahr. Wer mag, hört mal in „Streets Of Heaven“, das Soloalbum aus 2010, hinein und verzichtet auf das sehr schlimme, sehr frühe Werk als Individualist, das aus der Kältekammer gekommen schien und bestenfalls Rückschlüsse auf die Stimmung innerhalb der Band zulässt. Fazit: Ich freue mich auf eines der charmantesten Tour-Ereignisse 2016 im April & Mai: Willkommen, John Illsley.