Wir haben die Siebziger erlebt, und wir haben gesehen, wie Menschen sich später an fragmentarischen Rekonstruktionen dieses verglorifizierten Jahrzehnts versuchten. Verklärt, manchmal verwirrt. Und wenn einer zwischen all der Verherrlichung seine Finger in Wunden wie Ölkrise, Olympiaattentat oder die Niederlage von Cordoba legt, dann relativiert sich diese Zeit, in der Deutschland doch der US-Westcoast-Romantik nie näher zu sein schien.
Jonathan Jeremiah kennt Westküste, Krisen und Niederlagen, hat aber dennoch vollgetankt. Seinem Album „A Solitary Man“ hört man zunächst weder die durchaus vorhandene Tragik, noch Wehmut an. Zu sehr erschlagen einen die elf darauf enthaltenen goldenen Hits im ausnahmslos positiven Sinne. Natürlich wildert hier einer bei Scott Walker, Nick Drake und Motown. Es fasziniert alleine, in welcher sagenhaft bezaubernden Qualität er und sein immens gepflegter Bariton das inmitten von Arrangements erledigen, die sich auf kürzestem Wege in die weite Vergangenheit bewegen. 24-köpfiges Orchester inklusive. Selbst wenn Letzteres auf der Tour im Herbst fehlen wird und das Album auf gerade mal eine halbe Stunde Wegstrecke kommt: bitte besuchen Sie diesen Mann dringend!