Er sieht keine Zukunft in der Volksmusik für das Duo Ina und Wolfgang Müller. Gott sei Dank! Wer jetzt stirnrunzelnd mit den Schultern zuckt, dem sei die Aufzeichnung von „Inas Nacht“ vom 05. November 2011 in der ARD Mediathek empfohlen. Stärker empfohlen sei an dieser Stelle aber ein Besuch auf einem Konzert von Herrn Müller, dessen TV Noir Tour dieser Tage startet. TV Noir, dieses sympathisch schrullige Internet- und seit kurzem auch TV-Musik-Talk-Kleinod, schickt Wolfgang Müller zusammen mit Yasmine Tourist quer durch Deutschland, um Album Nr. 3 auf die Bühnen der Singer-Songwriter-Spelunken zu hieven.
Zwar gibt es nur zwei neue Stücke auf „Ahoi“, die mit „11 Akustik-Versionen“ untertitelte dritte Platte stellt aber auf wunderbare Weise die anderen – bereits auf den beiden Vorgängeralben „Gegen den Sinn“ und „In der Zwischenzeit“ vertretenen – Lieder des warum auch immer oft im selben Atemzug mit Gisbert zu Knyphausen genannten Hamburger Musikers heraus. Müllers allerorts zurecht hochgelobtes Songwriting, die brüchige, manchmal raue Stimme und das souveräne Gitarrenspiel – mehr gibt es nicht zu hören auf „Ahoi“. Und mehr braucht es auch nicht. Text und Musik verlangen vom Zuhörer eine gewisse Gelassenheit, ohne die sich die feinsinnigen Alltagsbeobachtungen, die spitzfindigen Sprachbilder und die leisen Seitenhiebe nur schwer erschließen. Waren Stücke wie „Godot“, „Unterschiedlich schwer“ oder „Oktober“ schon in ihrer ursprünglichen Version nicht gerade überladen arrangiert und instrumentiert, so reduzieren und verdichten sie sich auf „Ahoi“ auf ihre intime, manchmal tragische, manchmal bittersüße Essenz. Die beiden neuen Stücke „Immer noch Fahrrad“ und „Fast wie von selbst“, in denen einer alten, angerosteten Liebe der Gnadenstoß vorerst verwehrt bzw. Glück und Tücken einer alltäglichen Beziehungsroutine auf den Grund gegangen wird, hätten auf kein anderes Müller-Album besser passen können.
Dankenswerterweise scheint dies auch Ina Müller bewusst, die ihre musikalischen Fernsehgäste ja gern stimmgewaltig bei deren Darbietung unterstützt. Im Fall von Wolfgang Müller bzw. seinem Lied „Zu hell für die Nacht“ beschränkte sie sich auf eine ruhige, gehauchte zweite Stimme im Refrain. Das Wesen der Dinge ist eben oft leise.