Geben wir es doch lieber gleich zu: Der Mann, dem (zumindest in seinem ironietriefenden Song „My Life Is Good“) Springsteen angeboten hat, für eine Weile „der Boss“ zu sein, hätte wenig Chancen, einen Justin-Bieber-Look-Alike-Contest zu gewinnen. Es gibt Menschen, die Argumente dafür finden wollen, dass Keith Jarrett ein besserer Pianist sei. Auch ist nicht völlig von der Hand zu weisen, dass 15 Alben seit 1968 den Mann aus New Orleans nicht unbedingt als hyperaktiven Workaholic ausweisen. Auf der anderen Seite finden sich durchaus Fans des Sänger/Songwriters/Pianisten/Opernschreibers (die wir morgens im Spiegel sehen – falls wir hingucken). Und die finden, dass er neben Warren Zevon die weltbewegendsten Lyrics in Pop und Rock geschrieben hat – ein Sprach- und Intelligenzgebrauch, von dem auch ein Dylan nur träumen kann. Die lieben seine minimalistischen Begleitungen auf dem Flügel. Seine vernuschelten, bissig-humorigen Ansagen. Nun kommt der 69-jährige im Rahmen einer seiner ebenfalls seltenen Europatourneen auch zu uns. Zeit, mal wieder in die Oper – oder ähnlich staatstragende Orte – zu gehen!