Blatt für Blatt tastet sich der Besucher auf ihrer Website vor. Eine schöne Idee, dieses optische Stilmittel Buchform. Mit Blättern – allerdings in Form von tonnenweise Herbstlaub – geht es im Album-Artwork gleich weiter. Mehr Schatten denn Licht. Am Ende gar nur noch reines, entblättertes eben, Gestrüpp. So ähnlich muss sich der Hörer die Musik auf „Brave You Free May“ gefühlt vorstellen. Reduziert auf das Notwendigste. Entbehrend puristisch. Freigelegt bis auf die Knochenhaut. Kein Gramm zu viel stört da. Was das Nervenkostüm angeht, scheint aller Schutz nur noch fragmentarisch vorhanden. Zwischendrin fährt mitten im Song das Band eines Anrufbeantworters vor und wieder zurück. Wie Stimmenfetzen aus einer Dimension der Mysterien. In kleinster Besetzung (Gitarre, Piano, Schlagzeug, Gesang) erzeugen Musika 77 eine Intensität, die mal an die Tindersticks oder einen Keith Caputo in seinen düstersten Phasen erinnert. Mal so zart und behutsam, dass ein Saitenriss wie eine Peitsche wirken würde. Dann wieder hallt es wie in einem Kirchenschiff. Am Anfang aber auch voller enervierender Intensität, dass auch der letzte Rest Grün sich langsam verabschiedet. „Brave You May Free“ ist eines sicher: tiefer Herbst. Die Zeit der dicken Bücher und mitunter schwer begreiflichen Schönheit. Ab Mitte November sind Musika 77 auf Tour!