Pedro Goncalves Crescenti, Peter Rubel und Joel Roters haben seit ihrem Debu?t-Album "Die besten
Jahre" (2018) konsequent einen eigenen, so farbenfrohen wie minimalistischen Rock-Sound entwickelt, der zwischen 60ies Beat & Boogie, 70ies Krautrock, 80ies New Wave und 90ies Shoegaze und Postrock oszilliert. Also so ziemlich allem, was der Mensch in der Formation Bass, Schlagzeug und Gitarre zusammen an freudiger Musik herstellen kann.
"Hier nur Kraut und Ru?ben, dru?ben blu?hen Blu?ten" heißt es im Opener "Kraut", der genauso nach CAN wie CANNED HEAT klingt. Und das ist das Faszinierende an dieser Band: Die besagten Dekaden, Genres und Sounds bilden im International Music-Kosmos im Grunde layers, die wie bei einer Doppelbelichtung u?bereinandergeschichtet werden und am Ende noch einmal durch den VHS- oder Super-8-Recorder laufen. Die drei Wahl-Essener entwickeln mit großer Faszination fu?r die unterschiedlichen Techniken und Gera?tschaften aus mehr als 50 Jahren Rock- und Popgeschichte die eigene Musik stets weiter. Und die scheint bei International Music im wahrsten Sinne "Endless".
Getragen werden diese Songs vom unverkennbaren Harmoniegesang von Peter Rubel & Pedro Goncalves Crescenti, die bekanntlich auch als The Du?sseldorf Du?sterboys ihr Unwesen treiben. Auf "Endless Ru?ttenscheid" treten sie erstmals aus ihren Hallra?umen an die trockene Oberfla?che und verleihen ihren Stimmen und dem Text somit eine neue Na?he.
Wenn es auf dem Album so etwas wie einen inhaltlichen roten Faden gibt, dann die sogenannte "Feste Beziehung" und die damit verbundenen Fragen: Ab wann ist eine Beziehung u?berhaupt "fest" und wie lange bleibt sie so, bloß weil sie gerade fest ist? Ko?nnen wir den Zustand der Liebe irgendwie konservieren? Ko?nnen wir an der Liebe, dem großen empfundenen Glu?ck, festhalten, ohne sie am Ende mit all unseren A?ngsten und Zwa?ngen wieder kaputt zu machen? Und ko?nnen wir das u?berhaupt wollen?
"Hier ist ein guter Ort zu leben, hier ist keiner, der lang bleibt, eine Zwischenstation, die lange war und la?nger wird, von mir zu Dir, von hier zu Dir", heißt es etwa in "Guter Ort", einer Hymne fu?r alle Liebenden nicht nur in Fernbeziehungen.
"Karma ist Karma, come on enjoy only yourself, ist doch kein Drama, haben wir Zeit oder wird es schon hell", fragen sie an anderer Stelle in "Karma Karma", in dem International Music fu?r einen Moment wie ihre franzo?sischen Nachbarn von der Band PHOENIX klingen.
Anspannung und Release, Denken und Fu?hlen, International Musics Texte sind so etwas wie eine quantendynamische Superposition, ein Spannungsfeld, aus dem sich je nach Lebens- und Gefu?hlslage neue Fragen und Antworten ergeben. "Heute morgen oder na?chstes Jahr" eben, wie in "Liebesformular" postuliert. Das Stu?ck ist zugleich die erste Single ? und liefert so etwas wie das Selbstversta?ndnis von Rubel, Roters und Goncalves Crescenti: "Wir machen timeless melancholic music"! Und tatsa?chlich steckt in Roters stoischem Schlagzeug und den sich umspielenden Bass- und Gitarrenmelodien Rubels und Goncalves Crescentis eine feine Melancholie - die International Music nach Belieben durch subtilen Humor zu konterkarieren oder eben zu versta?rken wissen. Eine einzigartige Mischung, die Olaf O.P.A.L.s Produktion in ein zeitloses Gewand gepackt hat.
"Du leitest geschickt, mich fesselt Dein Blick, Du bindest mich an, ziehe ich mich zuru?ck" singen sie im Lovesong "Im Sommer bin ich dein Ko?nig", mit dem International Music eine echte Power-Ballade im Gepa?ck haben. Aber ja, der Weg zum Glu?ck bleibt ein steiniger, zu dem sie mit "Kieselwege" auch schon wieder eine packende Hymne liefern.
Die professionelle Provinz-Fotografie auf dem Cover des Albums, die aussieht wie ein Portrait der Enkelkinder auf dem Kaminsims der stolzen Oma Gerda, weiß um die Vergangenheit und eine mo?gliche Zukunft. Und somit ist das Bild sinnigerweise auch kein flotter Selfie-Handy-Schnappschuss, sondern eine aufwa?ndig-inszenierte Studio-Fotografie mit den technischen Mitteln unserer Großeltern. Der Chor unserer Ahnen ragt schließlich in all unsere Lebensbereiche hinein. Sie gru?ßen, erinnern, inspirieren und mahnen uns ta?glich. Immer und u?berall.
Am Ende stellen wir uns die Frage nach dem Unterschied: also welcher Lebensentwurf in unseren Kulturkreisen u?berhaupt mo?glich ist und fundamental anders sein kann! Egal, ob in Berlin-Prenzlauer Berg, New York- Williamsburg oder Essen-Ru?ttenscheid. Die wirklich spannenden Dinge passieren doch meist ungeplant im Moment, manchmal auf schwer zu durchblickenden Umwegen, und da war doch gerade die Rockmusik schon immer ein großer Zen-buddhistischer Lehrmeister. Oder um an dieser Stelle noch ein letztes Mal International Music zu zitieren: "Und wieder gibt es kein Prinzip, wenn sich der Augenblick verschiebt, denn wir heben doch nur auf, was uns gefa?llt, was vor uns liegt, was uns umgibt".
Und wenn wir schon den Moment konservieren mu?ssen, dann bitte so wie im Boogie-Twister "International Heat": "Es kann nur eine Liebe geben, fu?r immer auf der Wiese leben". (Text: Presseinfo)