Sie zählen längst zu den geschätzten Highlights wählerischer Musikfreunde und anspruchsvoller Kritiker. Nun wird das erstaunliche Schwesternpaar Sierra und Bianca Casady weit über ihre ursprüngliche Fangemeinde Popularität gewinnen.
Mit ihrem kommende Woche erscheinenden dritten Album „The Adventures of Ghosthorse and Stillhorn“ setzt sich der Weg der beiden getrennt aufgewachsenen Geschwister durch das chaotisch-liebenswerte Geschichtengeflecht, in dem die unabhängig voneinander verbrachte Vergangenheit aufgearbeitet zu werden scheint, fort und landet bei dem rundesten und auch eingängigsten Album der Klangakrobatinnen.
„Komm mit auf die Reise“, rufen die Kapitäninnen und versprechen mit mal choralem, mal nörgelnd-schrägem Gesang ein von Gänsehautschauern geprägtes Hörerlebnis. Wer die beiden Vorgängeralben von Sierra und Bianca kennt, weiß, ihr Gespür für einen sehr individuellen Mix aus verschrobenen Hintergrundgeräuschen, narrativer Spannung, nachdenklichen Melodien und dezent verschobenen Beatarrangements zu schätzen. Vergleiche mit Joanna Newsom und der Stimme von Antony (& The Johnsons) stehen parat, trotzdem sind CocoRosie etwas ganz Besonderes, auf das man betont Acht geben möchte und dabei fast Sorge trägt, der zarten Musik könnte ob ihrer Tragik und Emotionalität aus kindlicher Sturheit etwas zustoßen. Die Extravaganz der beiden Akteurinnen scheint sich in Momenten so auf geneigte Hörer zu übertragen, dass zumindest im ganz Kleinen die Fantasiewelt der vielen sich eröffnenden musikalischen Ebenen wahr wird. Schrullig, kauzig, verrückt und artifiziell darf sich auch „The Adventures of Ghosthorse and Stillhorn“ nennen. Wer sich auf einen Weg von der Oper (grandios!!) zu klickernden Beats wagt und auch noch heil ankommt, dem darf einmal zwischen applaudiert werden. Bravo, für ein Album, das es bereits jetzt (komme, was wolle) auf die vorderen Ränge der Jahrescharts schafft und sich zweifellos einen darüber hinaus beständigen Platz in den Alltime Favourites ergattert hat. Erstaunlich, wie perfekt sich zwei Frauen musikalisch, scheinbar auch inhaltlich und die Stimme betreffend ergänzen. Da erübrigt sich die Frage, ob Schwestern oder nicht, denn wo auf klein geschnippelte Beats und quäkenden Sprechvocals butterweicher Gesang folgt, wo autistisches Soundblubbern von einem ergreifendem Melodienszenario abgeklatscht wird und ein störrischer Unterton neben wohlerzogener Tonsicherheit stimmiger und ehrlicher klingt als jedes einstudiertes Duett, da steht in dicken Buchstaben Authentizität und Lieblingsband/musik/soundtrack. Ja, Piano, Harfen, Computer, Sampler, Alltag und immer eine Prise Märchenwelt gehören auch zum festen Bestandteil der Abenteuer von Ghosthorse und Stillhorn.
Zum Einstimmen oder Vorhören: „Raphael“ wegen der brillanten Abstimmung zwischen Elektronika und Klassik, „Japan“ für die faszinierende Folge von rhythmischer Taktung und innehaltendem Opergesang, „Werwolf“ wegen der Symbiose, die zwei so unterschiedliche Stimmen und Stimmungen eingehen können! Das einzige Record-Release-Konzert in Deutschland findet am kommenden Ostermontag in Berlin statt, eine Tour im Juni folgt, weitere Dates für den Herbst sind in Planung. Achtung: Wer auch nur ansatzweise in der Nähe eines Liveauftritts des Duos lebt und diesen verpasst, wird sich später einmal sehr, sehr ärgern!